Homeschooling offenbart Nachholbedarf bei Digitalisierung für alle

Gemischte Bilanz ein Jahr nach dem ersten Lockdown

Im März 2020 wurde in einer Reihe europäischer Länder Realität, was bis dahin für Europa als unvorstellbar galt: Lockdown, Ausgangsbeschränkungen und Kontakteinschränkungen. In der Folge mussten auch Arbeit und Bildung – wo immer möglich – neu organisiert werden. Homeoffice und Distanzunterricht, bis dahin eher Ausnahmen als die Regel, wurden zum neuen Normal. Wie sich die Menschen – speziell die Berufstätigen und die mit schulpflichtigen Kindern – ein Jahr nach dem ersten Lockdown in dieser Situation eingerichtet haben, zeigt eine Befragung*, die YouGov im Auftrag der gfu Consumer & Home Electronics GmbH in diesem März in Deutschland und Großbritannien durchgeführt hat. Die Befragungsergebnisse zum Homeschooling veröffentlicht die gfu heute. Die Ergebnisse zum Homeoffice folgen in der kommenden Woche.**

Gutes Homeschooling scheitert häufig am Geld

In Deutschland sagen zwar drei von vier (74 Prozent) der Eltern von schulpflichtigen Kindern, dass bei ihnen die Grundvoraussetzungen für Unterricht aus der Distanz, zum Beispiel Internetzugang und Computer, vorhanden sind, doch immerhin sieben Prozent können das nicht bestätigen. Der Rest ist bei dieser Frage unentschieden. 41 Prozent geben an, dass sie in die technische Ausstattung zuhause investiert haben um Distanzunterricht zu gewährleisten, aber fast ein Drittel (32 Prozent) der befragten Eltern sagt, dass sie für reibungslosen Unterricht Geld investieren müssten, das bei ihnen augenblicklich nicht vorhanden sei.

Tendenziell in die gleiche Richtung äußern sich die Eltern in Großbritannien: Hier sagen 79 Prozent derjenigen mit Kindern im Homeschooling, dass bei ihnen zuhause die technischen Grundvoraussetzungen gegeben sind, sechs Prozent stimmen dem nicht zu. 43 Prozent haben investiert, um den Distanzunterricht zu gewährleisten und ein glattes Drittel (33 Prozent) sagt, dass sie für gutes Homeschooling eigentlich Geld investieren müssten, das augenblicklich nicht vorhanden sei.

„Auch wenn es sich im ersten Moment gut anhört, dass bei 74 Prozent der Eltern in Deutschland beziehungsweise 79 Prozent in Großbritannien die technischen Grundvoraussetzungen für Homeschooling stimmen, so gibt es doch in beiden Ländern eine zu hohe Zahl von Kindern, die aufgrund fehlender technischer Infrastruktur zuhause und aufgrund von fehlendem Geld in der Familie nicht oder nicht in erforderlichem Umfang unterrichtet werden konnten und können“, so Dr. Sara Warneke, Geschäftsführerin der gfu Consumer & Home Electronics. Sie ergänzt: „Bildung ist eine Grundvoraussetzung, um am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Wir sollten daher alle Anstrengungen unternehmen, niemanden zu verlieren. Das gilt überall und natürlich auch auf beiden Seiten des Kanals.“ 

Nicht nur die technische Infrastruktur zuhause muss für gutes Homeschooling stimmen. Auch die Schulen müssen entsprechend ausgerüstet sein. Nur die knappe Hälfte (46 %) der deutschen Eltern schulpflichtiger Kinder sehen in der Schule ihres Kindes die technische Voraussetzung für Distanzunterricht gegeben. Mit 58 Prozent liegt dieser Wert bei den Briten deutlich höher. 

Gute bis befriedigende Noten für Lehrende – ungenügend für die Politik

Weitgehende Übereinstimmung gibt es in Deutschland und Großbritannien bei der Frage nach den Qualitätsunterschieden im Unterricht, die durch die Lehrenden verursacht werden: 70 Prozent der Eltern von Schulkindern sagen in Deutschland, dass die Qualität des Unterrichts stark vom einzelnen Lehrer oder der Lehrerin abhängig sei, die Briten stimmen dieser Aussage zu 68 Prozent zu.

Deutliche Unterschiede offenbaren sich allerdings bei den Befragten im attestierten Engagement der Lehrenden. Während in Deutschland nur die knappe Hälfte (49 Prozent) der Aussage zustimmt, dass die Lehrer und Lehrerinnen große Anstrengungen unternommen haben, damit der Distanzunterricht gut klappt, so liegt bei den Briten die Zustimmungsrate hier bei 72 Prozent. Fast exakt die gleichen Werte ergeben sich bei der Frage nach dem allgemeinen Engagement der Schulen. Hier sehen wiederum 49 Prozent der in Deutschland und 71 Prozent der in Großbritannien befragten Eltern große Anstrengungen. Es zeigt sich also, dass die Zufriedenheit mit dem Engagement der Schulen und Lehrenden bei den britischen Eltern deutlich ausgeprägter ist, als bei den Eltern in Deutschland.

Unverkennbar schlechtere Noten geben die Befragten hingegen der Politik beim Engagement für reibungslosen Distanzunterricht. Nur 25 Prozent der in Deutschland befragten Eltern und 30 Prozent der Eltern in Großbritannien sehen hier eine genügend zielführende Weichenstellung.

Leidtragende einer solchen Politik sind nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Eltern: Rund ein Drittel (34 Prozent) der Eltern schulpflichtiger Kinder in Deutschland und sogar knapp die Hälfte (47 Prozent) der britischen Eltern geben an, dass sie sich häufig bei der Betreuung ihres Kindes bei den Schulaufgaben überfordert fühlen.

„Niemand konnte die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Bildungsbereich voraussehen. Doch seit den ersten Lockdowns ist inzwischen ein Jahr vergangen – das muss genügend Zeit sein, um nicht nur die Weichen zu einer digitalisierten Bildung richtig zu stellen. Der Digitalisierungszug an den Schulen müsste längst mit Höchstgeschwindigkeit fahren“, kommentiert Dr. Sara Warneke die Befragungsergebnisse. Sie ergänzt: „Es müssen Investitionen in die technische Infrastruktur an den Schulen unternommen werden und besonders Schülerinnen und Schüler aus sozial schwachen Verhältnissen brauchen eine unkomplizierte materielle Unterstützung. Die Befragungsergebnisse zeigen aber auch, dass Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer notwendig ist, damit diese einen digitalisierten Unterricht im vollen Umfang gewährleisten können.“

Fortschritte wurden erzielt, das Tempo jedoch reicht nicht

Auch wenn die Digitalisierung der Schulen noch nicht ausreichend ist, so attestieren die Befragten in beiden Ländern einen Fortschritt – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung: In Deutschland sind zwar 25 Prozent der Befragten der Meinung, dass man im Land nicht besser aufgestellt sei, als vor einem Jahr, doch 40 Prozent meinen, dass man spürbar besser aufgestellt sei. Mehr passiert ist hingegen in Großbritannien. Hier sehen 57 Prozent spürbare Fortschritte und nur 11 Prozent meinen, dass sich gegenüber der Situation vor einem Jahr nichts verbessert habe. Diese Diskrepanz zeigt dann auch deutlich, dass besonders in Deutschland das notwendige Digitalisierungstempo noch längst nicht erreicht ist.

* Die verwendeten Daten beruhen auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH Anfang März, an der  insgesamt 2.018 Personen in Deutschland und 2.119 Personen in Großbritannien teilnahmen. Die Ergebnisse beruhen auf den Aussagen von Eltern mit Kindern im Homeschooling (Deutschland: 321, Großbritannien: 373).

** Die hier veröffentlichten Befragungsergebnisse beruhen auf einer zweiteiligen Umfrage zu den Themen Homeschooling und Homeoffice. Den zweiten Teil der Ergebnisse wird die gfu in der zweiten Märzhälfte veröffentlichen. Wenn Sie an den Ergebnissen dieser Umfrage und weiteren Meldungen der gfu interessiert sind, melden Sie sich gern zu unserem Newsverteiler an: Media contact – GFU